Benjamin Franklin, einer der Gründungsväter Amerikas, begann
im Jahr 1732 einen Kalender zu drucken, der Abhandlungen und Aufsätze über
Themen wie Lebensklugheit, Rechtschaffenheit, Arbeit, Sparsamkeit und Mäßigkeit
enthielt. 1758 erschien ein Artikel, den Franklin unter dem Pseudonym Richard
Saunders verfasste. Er trug den Titel "Der Weg zum Reichtum", wurde
zum Leitfaden vieler Amerikaner und ist es auch heute noch Wert, gelesen und
beherzigt zu werden.
Freunde und Nachbarn! Die Abgaben sind in der Tat sehr
schwer. Wären die von der Regierung uns auferlegten Steuern die einzigen, so
vermöchten wir sie noch leicht genug abzutragen; aber wir haben viele andere,
die manchem unter uns weilt schwerer fallen. Denn wir sind zweimal so hoch
durch unsere Trägheit und viermal so hoch durch unsere Torheit besteuert. Diese
Steuern aber kann uns kein Abgeordneter durch eine Herabsetzung erleichtern
oder abnehmen.
Man würde eine Regierung für hart halten, die uns 10 %
unseres Einkommens wegsteuerte, aber der Müßiggang nimmt bei vielen unter uns
weit mehr als 10 % ihrer Zeit in Anspruch, wenn wir in Anschlag bringen, was
wir an Zeit mit unnötigen Beschäftigungen oder belanglosen Unterhaltungen
verschwenden.
Liebst du dein Leben, dann verschlendere die Zeit nicht an
unnütze Dinge, denn sie ist der Stoff, woraus das Leben gemacht wird. Wenn Zeit
das kostbarste unter allen Dingen ist, muss dann Zeitverschwendung nicht die
größte Verschwendung sein?
Verlorene Zeit wird nie wieder gefunden und was wir
"Zeit genug" nennen, erweist sich immer als wenig genug. Faulheit
erschwert alles, aber Fleiß macht alles leicht. Wer spät aufsteht, muss den
ganzen Tag laufen und wird kaum am Abend zum Ziele kommen. Trägheit reist so
langsam, dass sie bald von der Armut eingeholt wird. Daher treib du dein
Geschäft gründlichst und lass dich nicht von ihm treiben!
Fleiß bezahlt Schulden, aber Trägheit und Mutlosigkeit
vermehren sie. Fleiß ist der Vater des Glücks und füllt dir Scheuern und
Kasten. Darum arbeite, solange der heutige Tag währt, denn du weißt nicht, ob
morgen Krankheit oder anderes dich daran hindern kann. Darum tue auch schon
heute, was du morgen ohnedies tun musst. Auch ist ein heute so viel wie zwei
morgen.
Bist du selbstständig, dann schäme dich vor dir selbst und
vor deinen Dienern, wenn du dich selbst beim Müßiggang ertappst. Halte dich
wacker ans Werk und du wirst viel entstehen sehen. Meinst du, Faulheit werde
dir ein behaglicheres Leben gewähren als Arbeit? Oh ein, denn aus Müßiggang
entspringen Sorgen und aus unnötiger Ruhe schwere Mühen. Fliehe Vergnügungen
und sie werden dir von selbst nachlaufen. Halte deinen Laden wohl, dann wird
dein Laden dich wohl erhalten. Willst du dein Geschäft gut besorgt haben, dann
gehe selbst danach. Willst du es nicht, dann schicke danach.
Das Auge eines tüchtigen Herrn richtet mehr als seine beiden
Hände und zu großes Verlassen auf unserer Leute Sorgfalt ist unser Verderben.
Im Übrigen gedeihen unsere Geschäfte nicht durch blindes Vertrauen auf andere,
sondern durch den Mangel daran. Aber wer für sich selbst sorgt, hat auch den
Vorteil davon.
Vereinige Sorgfalt mit Kenntnissen, dann ist dir der
Reichtum gewiss. Darum beobachte Sorgfalt in den kleinsten geschäftlichen
Dingen und verschaffe dir die genausten Kenntnisse deines Berufes.
So viel sei betreffs des Fleißes und der Sorgsamkeit für
eines jeden Geschäft gesagt, meine Freunde, aber wir müssen dazu noch Mäßigkeit
gesellen, wenn wir unserem Fleiße einen umso sicheren Erfolg verschaffen
wollen.
Denn wer nicht eben gut zu sparen wie zu erwerben versteht,
kann sich sein Leben lang plagen und wird am Ende doch keinen Pfennig
hinterlassen.
Willst du aber reich werden, so sei auf das Sparen ebenso
wie auf das Verdienen bedacht und merke dir: Eine fette Küche macht ein mageres
Testament. Hinweg auch mit euren vielen anderen kostspieligen Torheiten, dann
werdet ihr nicht mehr so viel Ursache haben, über schwere Zeiten zu klagen! Ihr
denkt vielleicht: Tee mit Rum, einige teure Theaterplätze, dann und wann eine
erlesene Mahlzeit, einige schöne Kleider und zuweilen einige Festlichkeiten
können nicht viel auf sich haben. Aber erinnert euch: Viele Körnchen machen den
Haufen!
Darum hütet euch vor den immer wiederkehrenden,
überflüssigen kleinen Ausgaben. Denn ein kleines Leck kann ein großes Schiff
zum Sinken bringen. Und "Junge Schlemmer, alte Bettler!" ist ein
wahres Wort. Vor allem hütet euch vor dem Kaufe unnützer oder leicht zu
entbehrender Dinge, sonst werdet ihr bald das Notwendige verkaufen müssen. Kostet
es auch nur einen Groschen allein, dennoch überlegt es euch fein. Überlegt
auch, dass mancher wohlfeiler Kauf überflüssiger oder nicht dringend benötigter
Sachen euch in euren Geschäftsangelegenheiten beschränkt, also schädlich ist.
Und lasst euch sagen, dass viele durch billigen Einkauf
schon zugrunde gegangen sind. Durch solche Käufe geraten reiche öfters in Armut
und müssen dann von denen borgen, die sie früher verachteten, die aber durch
Fleiß und Mäßigkeit ihre Stellung nicht nur behauptet, sondern erhöht haben.
Mancher hat ein Vermögen ererbt und meint dann, es hat
nichts zu bedeuten, wenn er von dem Vielen ein wenig vertut. Wer aber immer aus
dem Mehlfaß nimmt und nichts hineinschüttet, kommt bald auf den Boden. Wenn der
Brunnen trocken ist, erkennt man den Wert des Wassers.
Hütet euch vor Stolz und Prunksucht. Denn wenn du ein
Schmuckstück kaufst, sei es für deinen Anzug oder für deinen Hausstand, dann
musst du noch zehn Dinge dazu kaufen, damit alles gehörig zueinander passe. Es
ist leichter, den ersten Wunsch zu unterdrücken, als alle nachfolgenden zu
befriedigen. Die Torheit des Armen, der dem Reichen nachäffen will, ist nicht
geringer als die des Frosches, der sich aufbläht, um dem Ochsen gleich zu
werden, bis er endlich platzte.
Stolz speist mit Übermut zum Frühstück, isst mit Armut zu
Mittag und mit Schande zum Abend. Jener Stolz kann euch weder Gesundheit
verschaffen noch Schmerzen lindern. Er erhöht den Wert eurer Person nicht, wohl
aber beschleunigt er euer Unglück.
Welche Tollheit gehört dazu, sich überflüssiger Dinge halber
gar in Schulden zu stürzen! Dadurch erteilt ihr einem anderen Gewalt über euch.
Wenn ihr zu bestimmten Zeiten nicht zahlen könnt, werdet ihr euch schämen,
eurem Gläubiger zu begegnen. Ihr werdet in Furcht sein, wenn ihr mit ihm
sprecht. Ihr werdet armselige, klägliche, kriechende Entschuldigungen
vorbringen, nach und nach eure Wahrhaftigkeit verlieren und endlich zur
gemeinsten Lüge herab sinken. So tritt zu dem ersten Laster des Schuldenmachens
das zweite Laster der Lüge.
Weil nun der Borger ein Knecht des Darleihers und der
Schuldner ein Sklave des Gläubigers ist, so verschmäht diese Fesseln, bewahrt
eure Freiheit und behauptet eure Unabhängigkeit. Seid fleißig und frei! Seiten
mäßig und frei!
Seid in Zeiten auf Mangel und Alter bedacht, den die
Morgensonne scheint nie bis zur Nacht! Das, meine Freunde, ist die Lehre der
Vernunft und der Weisheit! Und merkt euch zum Schluss das Wort: Wem nicht zu
raten ist, dem ist nicht zu helfen, und wer nicht hören will, wird sicherlich
fühlen!
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